COA Aktionswoche 2021
Vom 14.-20. Februar 2021 findet die bundesweite COA Aktionswoche statt. COA (Children of Addicts) sollen über vielfältige Angebote in den öffentlichen Fokus gerückt werden. Der POKI Königshof beteiligt sich mit täglich wechselnden Blickfenstern in das Leben einer alkoholbelasteten Familie. Die Aktion wird in Kooperation mit unseren Königsfamilien gestaltet. Sie soll Mut machen, über Tabuthemen zu sprechen, Vorstellungen zu überdenken, sich irritieren zu lassen. Lasst euch gern mit hineinnehmen.
Rike: Was bedeutet es dir, dass du den POKI Königshof kennengelernt hast? Königskind: Ähm… Ich finde das super. Es ist irgendwie so gefühlt eine neue Chance in das Leben rein. Und eine neue Chance, Sachen zu machen, die man glaub ich, wenn man das nicht hätte, nie machen würde im Leben. Es ist irgendwie eine Chance zur Freude und einfach Glück Menschen zu treffen, die sowas kennen. Ich finde, dass die POKI Gruppe einfach geil ist und mit denen kann man auch über alles reden. Und es macht immer Spaß (lacht) und man hat immer… Man kann sich einfach nie vorstellen, was ihr vorbereitet, weil es ist irgendwie immer so krass einfach. Super und es macht mich einfach glücklich. Wenn ich das angucke, macht mich einfach glücklich, wie du, Miri und Jessi und die anderen wirklich was für andere tun. Ich mag es einfach zu sehen, wenn… eine gute Seite an der Welt zu sehen. Weil manchmal, wenn man in die Welt guckt, ist es nicht so schön. Aber das Gute ist, dass manche Leute es versuchen, was zu machen. Also die Welt besser zu machen und es ein bisschen glücklicher für andere zu machen.
Vor zwei Jahren zog unser Königskind mit seiner Familie nach Deutschland, um mit dem hier lebenden Vater ein neues Leben aufzubauen. Damals wusste es noch nichts von seiner Alkoholabhängigkeit. Rike: Vielleicht magst du nochmal kurz erzählen, wie das war, als du nach Deutschland gekommen bist.? Königskind: Also, mhh… ich kann mich noch erinnern, als ich hierher gekommen bin war das so: Wir sind am Flughafen angekommen. Als ich und Mama gelandet waren, haben wir Papa gesucht, weil Papa wollte uns abholen. Und… als wir ihn gefunden haben, war er auf einer Bank betrunken , ähm und er hatte noch Flaschen und hat immer noch getrunken. Rike: Am Flughafen direkt? Königskind: Mh ja genau, als er uns abgeholt hat. Und er konnte noch nicht mal so richtig reden und so. Und das war das erste Mal, dass ich Papa betrunken gesehen habe. Ich wusste auch nicht… Ich wusste auch nicht so richtig, was Alkohol alles mit einem machen kann. Und ich wusste nicht, dass man abhängig und sowas alles davon werden kann. Ähm, als ich das gesehen habe, war ich verwirrt und so und als erstes ich so: „Was ist passiert?“. Und Mama hat auch nicht so richtig… Mama war auch schockiert. Weil sie wusste nicht, dass Papa abhängig und so ist. Und ja, dann war es auch schwer, nach Hause zu kommen. Weil Papa war eigentlich der, der den Weg wusste und der wusste, welchen Zug wir nehmen müssen und sowas. Rike: Und ihr konntet ihn dann gar nicht mehr fragen? Königskind: Nee, er hat auch die ganze Zeit geschrien. Und das war auch ein bisschen peinlich für mich, weil Menschen haben uns angeguckt und so und ja. Und ich glaub auch, da, von dieser Situation, habe ich auch meine.. ich würde sagen Angst oder so bekommen, mit Publikum zu sein. Also wenn man mit vielen Menschen ist. Weil ich hatte das vorher noch nie und das war einfach… total überfordernd. Und ich kann mich noch erinnern, ich habe ein paar Sachen genommen, also Koffer und sowas. Papa hat einfach die ganze Zeit… [Pause] Wir haben versucht, also Mama hat versucht, auf mich aufzupassen, auf Papa aufzupassen und gleichzeitig auch herauszufinden, wie wir nach Hause kommen. […] Dann hat Mama den Automaten gefunden für die Tickets für den Zug. Mama wusste nicht so richtig, wie man das macht. Und als wir da das versucht haben, hat eine ganz nette Frau uns gesehen und hat uns geholfen damit. Sie hat uns die Tickets gekauft, hat unsere Koffer genommen und uns in den richtigen Zug gepackt. Und es war auch Winter da. Also es war ganz kalt. Und das war das erste Mal, dass ich Winter hatte und ich hatte nicht mal einen Pulli oder so. Ich hatte nur eine ganz dünne Jacke. Ähm und die Frau hat das gesehen und sie hat mir ihre Jacke gegeben. Und das ist so ne teure Zara Jacke [lacht] Rike: Stimmt, und ich glaube du hast die noch, oder? Königskind: Ja, ich habe die noch. Mama sagt meistens, dass ich die Jacke mal weggeben soll, aber ich möchte das irgendwie nicht. Weil das hat irgendwie Erinnerung und sowas und ja. Also die Jacke hat sie mir gegeben und dann hat sie uns auch bis zu dem letzten Zug hingebracht. Also sie ist mit uns in den Zug gestiegen und hat uns wirklich geholfen, damit wir auch an der richtigen Stelle aussteigen und in den neuen Zug. Und Papa war einfach immer noch betrunken. Und dann, als wir den letzten Zug nehmen sollten, also tauschen sollten, war da so ein Kiosk und Papa wollte Alkohol da kaufen. Und Mama wollte nicht, dass er das kauft und hat versucht mit ihm zu reden. Und dann hat er angefangen zu schreien und dann haben Leute das gesehen.. [Pause] Und die andere Frau, die uns geholfen hat, ist dazwischengegangen und hat versucht, also, dass Papa das nicht kauft, also versucht, mit ihm zu reden. Er hat trotzdem nicht zugehört, ähm und ja, das alles an dem ersten Tag! Und meine Vorstellung, als ich hierher gekommen bin, war total anders. Also ich dachte nicht, dass Papa trinkt. Ich dachte einfach, dass wir ein perfektes Leben haben, aber… Ähm, einfach das Gefühl, dass deine Träume zerstört werden. Man realisiert, wie das echte Leben ist auf einmal. Weil ich finde, als Kind sieht man nicht so richtig, wie alles ist. Also in Wirklichkeit. […] Als ich in das Flugzeug eingestiegen bin, war ich total fröhlich. Ich kann mich noch erinnern, das war der erste Flug, den ich so richtig miterlebt habe. Und… ich war einfach total froh und habe mir so viele Erwartungen gemacht und mir so viel vorgestellt, wie es sein könnte. Was man hier machen kann, wie die Schulen sind, was für Menschen ich treffen kann. Wie viele coole Sachen man sehen kann… Als wir dieses Königskind kennenlernten, lebte es komplett sozial isoliert und ging seit mittlerweile über einem halben Jahr nicht mehr zur Schule. Die Situation zu Hause, die für alle Beteiligten wie ein böses Erwachen war, traf auf Herausforderungen in der Schule. Das Mobbing einiger Mitschüler zwang unser Königskind endgültig in die soziale Kapitulation. Sein Weg in ein eigenständiges, glückliches Leben ist lang. Im nächsten Interview berichtet es darüber, wie der POKI Königshof ihm dabei hilft..
Ich bin alkoholkrank und nicht stolz darauf. Es ist nicht einfach, damit aufzuhören, aber ich versuche es jeden Tag. Am meisten ärgere ich mich über mich selbst, wenn ich wieder scheitere. Doch ich gebe nicht auf. Das Schlimmste ist, dass ich die Menschen, die ich liebe, immer wieder verletze. Ich hoffe, dass ich diese Krankheit überwinden werde - auch wenn es ein langer Prozess ist.
„Fühlst dich bedeutungslos, als wärst du aus dem Niemandsland Du schaust an dir herab, siehst die Raupe Nimmersatt Jeder Traum bisher geplatzt, irgendwann haust du von hier ab (ja) Keine Selbstliebe, in dir drin der dritte Weltkrieg Wieso sollten dich andere lieben, wenn du dich nicht selbst liebst Viel zu lange schon im Innern dieser Niederschlag Er droht dich zu ertränken, und das Schlimme: Keine Hilfe naht Du hast da wen vergessen, jemand ganz bestimmtes Der Retter deines Lebens, schau mal in den Spiegel uh Du hast da was vergessen, du wunderschönes Wesen Von einem Wunder ist die Rede Deine Kraft ist unermesslich für ein wunderschönes Leben Denn du musst hundert Prozent geben“ aus „Wunderschönes Wesen“ von GReeeN Dieses Lied hat mir eine der wichtigsten Menschen für mich gezeigt. Sie sagte es erinnert sie an mich. Es bedeutet mir so viel. Das Lied gibt mir Hoffnung, wo manchmal keine ist. Es hat mir gezeigt, dass ich niemals aufgeben darf. Denn ich bin wertvoll und meine Kraft ist unermesslich. „Akzeptiere Dinge, die du nicht ändern kannst. Es gehört zu dir, es macht dich einmalig.“ Ich muss 100% geben, egal wie hoffnungslos ich mich manchmal fühle. Die Hoffnung wird niemals sterben, am Ende wird alles gut. „Ehrliches Lächeln kann Wunder bewirken“.
Warum nennen wir die von uns begleiteten Kids „Königskinder“? Die Begründung liegt eigentlich auf der Hand: Unsere offizielle Bezeichnung soll direkt vertreten, was wir in ihnen sehen. Keine Klienten oder Betreute, sondern wahre Schätze. Wertvoll, kostbar, individuell. Immer wieder erleben wir, dass viele Königskinder sich übersehen und nutzlos fühlen. Wir glauben: Sie sind würdig. Würdig, mit allem Respekt behandelt zu werden, eine Kindheit zu erleben, auf Händen getragen zu werden. Und weil uns das nicht genug ist, erklären wir kurzerhand die ganze Familie zur Königsfamilie. Denn nur im Ganzen kann sie verstanden werden. Und am Ende sind wir doch alle irgendwie Kinder (danke an alle Vorbilder wie Peter Pan, Pipi Langstrumpf oder den kleinen Prinzen). Mit der Zeit haben wir unsere Königsfamilien echt gut kennenlernen dürfen. Und was sollen wir sagen: Wir sind big in love! Was uns am meisten an unseren Königskindern begeistert? Das wäre dann wohl die Solidarität. Wir sind so verschieden und doch eins. Wir durchbrechen Mauern, überschreiten Grenzen und bezwingen die Angst. Im Kleinen und im Großen. Jeder Tag mit euch ein Geschenk.